Freitag, 25. Juli 2008

Kreuzberg

Das nächste Wochenende steht schon wieder vor der Tür und ich habe mich noch nicht einmal zum letzten geäußert.

Es ist ziemlich verplant gewesen, was mich anfangs auch noch ein wenig die Stirn runzeln ließ, aber letztendlich war es mehr als nur gelungen.


Da es hier verboten ist, auf der Straße zu trinken und meine Begleiterin und ich keine überteuerten Cocktails bezahlen wollten, haben wir uns am Freitag eine gemütliche Bushaltestelle gesucht und unsere Flasche voller blauem Sirup (der Alkohol war nicht einmal zu erahnen) aneinandergekuschelt unter einem Regenschirm geleert.
Ja ja, wir haben uns quasi zurückentwickelt, was das Trinken in geselliger Runde betrifft.
Zuerst trinkt man in Parks oder bei Freunden, denn Bars nehmen einem mit 15 noch nicht ab, dass man alt genug sei, um Alkohol zu kaufen. Irgendwann steigt man dann auf und ist bereit vier Euro zu zahlen, um nicht nur Alkohol, sondern auch noch ein Schirmchen im Glas zu bekommen. Nun, wir mussten halt unsere Ansprüche wieder zurückschrauben. Danach gab es aus dem Supermarkt noch ein Bier mit Birnengeschmack als Take Away und eine kleine Besichtigung der Gegend. Von anderen Deutschen, denen wir an dem Abend begegnet sind- und wir haben viele Deutsche getroffen, habt ihr eigentlich noch welche?- haben wir erfahren, dass die Polizei die Flaschen normalerweise direkt am Straßenrand auskippt, doch zum Glück blieb das unserem 1,80 Pfund Bier und uns erspart.
Auf unserer kleinen Wanderung trafen wir noch auf zwei offensichtlich betrunkene Herren, die meinten, sie hätten selbst eben noch im Koko gespielt und uns nun ihre angeblichen Backstagepässe anboten. Der erste Reflex ist natürlich immer erst einmal zuzugreifen, das Misstrauen kam danach.
Letztendlich waren die Karten nichts anderes als Eintrittskarten für die Konzerte, die vor dem Tanzabend stattgefunden hatten und mittlerweile relativ wertlos.

Unsere Hoffnung konzentrierte sich auf einen „Club“ namens „Koko“. Das hiesige Indiemagazin mit Bravoniveau lädt dort jeden Freitag zum gemütlichen Röhrenjeanstreffen ein.
Entgegen Gewohntem aus Berlin öffnete der Club bereits um 10 Uhr und da die ersten 100 Gäste freien Eintritt genießen dürfen, standen wir dementsprechend zeitig an. Die sieben Pfund, die es später zu zahlen galt, konnten wir besser investieren.
Noch in der Warteschlange trafen wir auf die bereits erwähnten Deutschen und gelangten gemeinsam mit „free admission“ in das ehemalige Theatergebäude.
Also optisch macht das Koko definitiv was her. In den verschiedenen Rängen gab es Bars und Sitzmöglichkeiten und in der untersten Etage die Tanzfläche samt Bühne.
Alles wirkte sehr edel und so wunderte uns auch der Preis für ein kleines Bier (3,60 Pfund) nicht wirklich. Es machte großen Spaß, mal wieder auszugehen und vor allem zu Indiemusik zu tanzen. Ich habe es sehr genossen und mir immer mal wieder gedacht, dass das die eine oder andere Person aus Berlin (und Münsterumgebung) auch unbedingt mitmachen sollte.
Letztendlich brauche ich zur Indiemusik aber einfach einen Ranzladen.
Ich denke, da der Status der Indiemusik in GB selbst verglichen mit dem in Deutschland durchaus als Mainstream bezeichnet werden kann, so widersprüchlich das auch klingen mag, erschien mir das Koko mehr wie eine Disco in elegantem Rahmen und mit besserer Musik.
Selbst all die erwarteten coolen Indiekids mit ihren teuren Klamotten, die aber aussehen, als kämen sie aus der Kleiderspende und würden grundsätzlich nur in der Größe xxxxxxs produziert, sind ausgeblieben. Die meisten waren relativ unauffällig und hatten einfach Spaß am Tanzen, was mir natürlich sympathisch war.
Aber morgen wird es auf jeden Fall woanders hingehen. Ich möchte mein Pendant zum Rosis finden: klein, unauffällig, stickig (im Koko konnte man frei atmen!) und unbedingt empfehlenswert. Die Suche geht also weiter!

Am Samstag ging es dann mit drei Stunden Schlaf auf dem Buckel zum Camden Market. Der Markt umfasst ein riesiges Gebiet, ist vom Angebotenen her aber relativ verzichtbar, was nicht heißt, dass sich ein Besuch nicht lohnen kann. Wir haben dort mehrere Stunden verbracht und die hässlichsten Klamotten jenseits von Bayern begutachtet.
Es gab einen unfassbar Angst erregenden Technoladen, in dem nicht nur die entsprechende Musik in Love Parade Lautstärke gespielt wurde, sondern auch Menschen im Neondress mit außerirdischen Frisuren auf Podesten tanzten. Die Kleidung sah aus wie aus einer fernen Zukunft, die ich nicht erleben möchte, und vor den Farben hätte man am Eingang gewarnt werden müssen, aber wir sind ja freiwillig rein… und schnell wieder raus.
Essen konnte man in Camden natürlich wunderbar, aber bei meinen niedrigen Ansprüchen hat diese Aussage kaum einen Wert.

Erneut haben uns die Busse in den Wahnsinn getrieben. Bis man hier mal einen Bus findet, der einen auch nur annähernd in die gewollte Richtung bringt, hat man seine ersten Millionen zusammen und reist per Privatjet… Sorry, bin abgeschweift.
Abends bin ich wieder daheim geblieben, um mir ein paar Pfund durchs Nichtstun (nennt sich hier „Babysitten“) zu verdienen, außerdem versprach der Sonntag wieder viel Aktion, weshalb ich auch einfach mal eher ins Bett wollte.

Am Sonntag hatten wir uns zu 8.30 Uhr an der Victoria Station verabredet, um von dort aus dann zum Coach Bahnhof zu laufen. Leider erhielt ich ein paar Minuten später eine SMS mit der Aussage, dass der Bus meine Bekannten ausgefallen sei und wir uns deshalb besser direkt am Bus Richtung Brighton treffen sollten.
Punkt 9 Uhr wollte dieser dann starten und tat es tatsächlich nur mit mir…
So viel zur Zuverlässigkeit der Linienbusse. Da ich jedoch schon vorher die Karten gebucht hatte, musste ich ja wenigstens meine nutzen und da die Busse alle 30min nach Brighton von London aus fuhren, verabredeten wir einfach, uns dann dort zu treffen.
Plan geschmiedet, Plan ausgeführt.

Da uns nichts einfiel, wofür gerade Brighton berühmt sein sollte- ich kannte es nur aus veröffentlichten Bandtourneen-, führte unser erster Weg ins Informationszentrum.
(Ok, eigentlich führte uns der erste Weg zum Klo, aber wen von euch interessiert das schon.)
Wir bekamen also einen netten, kleinen Stadtplan, in dem neben einem Palast für Georg IV und dem Strand eigentlich nur die Haupteinkaufszentren markiert worden waren. So viel zu den Sehenswürdigkeiten von Brighton.
Aber letztendlich hatten wir wunderbare 7h in der Stadt. Das Wetter beschenkte uns mit einem wolkenfreien Tag und viel Sonne und so fühlte ich mich, als wir auf der Strandpromenade entlangliefen und den Möwen auswichen, wie im Sommerurlaub.
Der Bummel durch die Stadt endete für mich leider im CD Kaufrausch. Die Klamottenläden ließen mich völlig kalt, aber wenn ein CD Laden alles besitzt, was meine Ohren begehren, viele Angebote hat und ich ihn mit großer Wahrscheinlichkeit nie wieder betreten werde, muss ich mir einfach ein paar Minuten (hust) nehmen.
Am Ende habe ich der Familie des Ladenbesitzers sicher ein sehr reichhaltiges Abendbrot zur Feier des Tages beschert.
Wenige Stunden vor der Abreise sind wir durch Zufall noch auf ein kleines, kostenloses Festival am Wasser gestoßen, auf dem sich die Kreuzberger Weltverbesserer trafen, um über den Frieden, Guantanamo, Tofu und Gras zu diskutieren. Die Musik war nicht einmal schlecht und so genossen wir die restliche Zeit mit Keksen (drogenfrei), Musik und lustiger Stimmung.

Das Wochenende war also rundum gelungen und das jetzige wird es auch nur im Kriterium „Anzahl der Schlafstunden“ schlagen können. Gestern ist die Familie nämlich nach Wales gefahren, um übers Wochenende Freunde zu besuchen.
Das bedeutet für mich, dass ich zum ersten Mal, seit ich hier bin, ausschlafen kann und nicht durch lärmende Kinder geweckt werde! Juhu! Die letzte Nacht hat mir neun Stunden Schlaf beschert und es fühlte sich paradiesisch an. Heute Abend werde ich noch für ein paar Stunden babysitten, morgen weitere Märkte (Brick Lane) erforschen, abends weiter nach dem Rosis suchen und am Sonntag dann den Geburtstagsschokokuchen für meine Gastmutter backen.

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und schicke schwüle Grüße.

Lisa

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