Samstag, 23. Februar 2008

Saturday Night

Interpretation eines Gedichtes

Es ist Samstagabend. Ich habe nach etwas gesucht. Rettung?
Zuvor noch hatte ein Freund angerufen: „Hey, wir gehen tanzen. Du kommst doch mit?“
Ich verneinte, schaltete den PC ein und verlor mich in den unendlichen Kanälen des World Wide Web.
Plötzlich trafen meine Augen auf etwas, das mein unterbewusstes, ruheloses Suchen beendete.
Ein Gedicht. Eines, das mich nachdenklich stimmte. Sollte ich doch weiterkämpfen?

Meine Deutschhausaufgabe zu Montag:
„Stellt der Klasse ein selbst gewähltes Gedicht in Form einer Interpretation vor.“

Ich startete einen Versuch.

Das unbetitelte Gedicht des Künstlers Christopher H. befasst sich mit der quälenden Frage nach Zeitvertreib in einer auswegslosen Situation.
Bei den 18 Versen handelt es sich vermutlich um das lyrische Erstlingswerk des Poeten, über den man nicht mehr weiß als seine Herkunft - Greven.
Es existiert weder Metrum, noch Reim- oder regelmäßige Strophenform, was die chaotische Gefühlswelt des Lyrischen Ichs zum Ausdruck bringt.
Ebenso findet sich in der Ellipse „22 Uhr irgendwas“ (V. 1) das fehlende Zeitgefühl, geboren aus dessen unsteter Befindlichkeit, wieder.
Die formelartige Phrase „viel zu viel Zeit“ (V. 2) nimmt dieses Motiv erneut auf und lässt es als unlösbar erscheinen.
Eine direkte Wiedergabe der Gedanken des Lyrischen Ichs in Form der wörtlichen Rede schafft die persönliche Identifikation des Rezipienten mit dem Leidenden, der sich trotz all der bestehenden Alternativen nicht festlegen kann und diese Unentschlossenheit mit sinnlosem Zeitvertreib kompensiert.
Der Wunsch nach einem Führerschein, um die noch unüberbrückbare Distanz zum vorläufigen Zielort Braunschweig zu überwinden (vgl. V. 5 und 6) und das darauf folgende Bestreben in noch entferntere Weiten vorzudringen (vgl. V. 7) und so der eigenen eintönigen Welt zu entfliehen, beinhaltet das Kernproblem des gesamtes Gedichtes.
Die dazu im Kontrast stehende Trivialität „Milch reimt sich mit Knilch“ (V. 8) unterbricht die bis zu diesem Punkt eher schwermütige Stimmung und deutet bereits ein Umdenken des Lyrischen Ichs an.
Es folgt ein Rückfall in die alles dominierende Hoffnungslosigkeit, manifestiert durch zwei aufeinander folgende Hypotaxen (vgl. V. 9 und 10).
Eine auffällige Sonderstellung erhält das Zitat der britischen Band „Foals“ „Un peu d’air sur la terre“ (V. 11) vor allem durch den Kursivdruck und den durch eine Leerzeile erreichten Abstand zur ersten Strophe. Der gleiche Effekt wird durch das Zitieren der Liedzeile „Cassius, these daydreams okay“ (V. 13) erzielt. Beide unterstreichen sowohl Hoffnung auf Besserung, als auch die Bereitschaft zu fliehen.
Auch wenn der unter Literaturwissenschaftlern äußerst umstrittene Vers 12 „Sauber, Klimo. 1- 0“ wegen seiner paradoxen Stellung innerhalb des Gedichtes noch heute für Aufsehen sorgt, verdeutlicht dieser eindrucksvoll das Sehnen nach Normalität, nach immer wiederkehrenden Riten, wie beispielsweise das allwöchentliche Spiel der favorisierten Fußballmannschaft.
Das Melodik erzeugende Wortspiel „Li- La- Langweilig“ (V. 14) und das aus Witzen der populären Kultur gängige „Kommt ein Mann zum Arzt“ leiten in ihrer positiven Konnotation den endgültigen Umschwung der emotionalen Verfassung des Lyrischen Ichs ein.
Die abschließenden drei Imperative rufen die Rezipienten zur Aktivität auf und u.a. zur Bejahung des Lebens: „Bleibt von den Drogen fern“ (V. 15).
Metaphorisch hält der Leitappell „Nennt eure Flecken Genzo“ (V. 16) dazu an, seine Probleme und Leiden beim Namen zu nennen und ihnen durch das Banalisieren den Schrecken zu nehmen.
Eine finale Interjektion „Urghs“ (V. 17) fasst den endgültigen Wandel des Lyrischen Ichs auf absurde Art und Weise zusammen.
Die einzelnen Interpretationsergebnisse lassen die Vermutung zu, dass der Dichter Christopher H. eigene Erfahrungen aus seinem Leben in Greven - Trostlosigkeit der Kleinstadt, Mangel an Perspektiven und Freizeitaktivitäten, Abgeschiedenheit zu pulsierenden Kulturzentren - verarbeitet.
Doch letztendlich gelingt es ihm, sich mit den herrschenden Umständen zu arrangieren und einen Weg aus der Depression zu zeichnen.

Wortzahl: 508
Note:

By Linda und Lisa

(Achtung, diese Interpretation spiegelt nicht die Meinung der Autoren wieder, sondern versucht nur durch eine hochgestochene, übertrieben affektierte Wortwahl eine höchstmögliche Benotung zu erreichen.)

Schlaf du auch gut, Christopher.:) (by Lisa)

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